Lohngerechtigkeit statt Klatschen

Pflegepersonal

Aufgrund der Corona-Pandemie und all den erschreckenden Nachrichten rund um dieses Thema, wurde dem Equal Pay Day nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei könnte das Virus zu mehr Lohngerechtigkeit führen. 

Es sind Herausforderungen, wie die einer Pandemie, in der die Gesellschaft sieht, worauf es ankommt. Selten wurde in den vergangenen Jahren so viel über die Menschen gesprochen, die sich jeden Tag im wahrsten Sinne des Wortes aufopfern, um den Kranken beizustehen. Viele dieser Menschen haben sich infiziert, zahlreiche sind auch schon an den Folgen einer Coronaerkrankung gestorben. Es sind die Pflegekräfte, Ärzt*innen und Sanitäter*innen, aber auch die Reinigungskräfte vor Ort, die an vorderster Front gegen das Virus kämpfen. Sie sind es, die sich tagtäglich einem sehr hohen Risiko der Infektion aussetzen. Sie sind es, die jeden Tag auf’s neue improvisieren, um dem Mangel an Schutzkleidung zu trotzen. Sie können ihre Arbeit nicht aus sicherer Distanz verrichten, sich nicht ins Homeoffice zurückziehen oder ihre Arbeit für eine unbestimmte Zeit ruhen lassen. Ihr Einsatz ist gefragt. Jeden Tag und jede Nacht. Viele dieser Kräfte sind bereits am Ende ihrer Kräfte. Aber sie machen weiter. Weil sie sich ihrem Eid verpflichtet fühlen. Weil sie anderen Menschen helfen wollen. Opfern ihre eigene Gesundheit für die unsere.

Dass die Pflegekräfte überfordert sind, liegt zum einen an der besonderen Herausforderung durch die vielen mit Corona Infizierten. Es liegt aber auch daran, dass es zu wenige Pflegekräfte gibt. Laut der Gewerkschaft ver.di fehlen bereits mindestens 70.000 Fachkräfte im klinischen Bereich. Auf 100 offene Stellen in der Krankenpflege kamen 2016 lediglich 71 geeignete Arbeitsuchende. Berichte über Klinikbetreiber*innen, die auf den Parkplätzen anderer Kliniken gezielt Pflegekräfte anwarben, machen die Runde. Aber der Mangel ist nicht verwunderlich. Denn obwohl Pflegekräfte in Deutschland durchaus zu einer der angesehensten Berufsgruppen gehören, werden sie vergleichsweise schlecht bezahlt. Während eine Pflegekraft durchschnittlich zwischen 2.150 und 3.100 Euro pro Monat verdient, erhält die Arbeitskraft am Laufband zum Beispiel der Automobilindustrie durchschnittlich zwischen 2.407 und 3.695 Euro monatlich. Womit nicht gesagt werden soll, dass wir diese Industrie nicht benötigen. Auch sie ist wichtig. Sie hat uns in Deutschland den Wohlstand gebracht, der mit dazu beigetragen hat, dass wir eines der besten Gesundheitssysteme der Welt haben. Es gibt aber keinen guten Grund dafür, dass diese Arbeit an den Maschinen mehr wert ist als die am Menschen. Das zeigt sich sehr deutlich in dieser Zeit, in der die Laufbänder der Autoindustrie ruhen, die Pflegekräfte aber vor lauter Arbeit kein Land mehr sehen. 

Fakt ist: Viele Frauen neigen zu Berufen „nah am Menschen“. Ob das in der Natur der Frau liegt oder ihr durch gesellschaftliche Normen anerzogen wird, sei mal dahin gestellt. Fakt ist: 80 Prozent der Pflegekräfte sind weiblich. 
Fakt ist aber auch: Traditionell eher weiblich dominierte Berufe werden schlechter bezahlt, als männlich dominierte. 

Um der Lohnungerechtigkeit entgegenzuwirken wird daher seit Jahren versucht, junge Frauen für MINT Berufe zu begeistert. Die Coronakrise zeigt uns zur Zeit besonders deutlich, dass wir umdenken sollten. Nicht die jungen Frauen sollten für männlich dominierte Berufe begeistert werden, sondern die jungen Männer für die von Frauen dominierte Gesundheitsbranche. Nicht nur, weil wir hier dringend mehr Personal benötigen, auch weil die Berufe damit eine finanzielle Aufwertung erhalten würden. Studien haben gezeigt, spätestens wenn mehr Männer in „weibliche“ Berufe drängen, wird die Bezahlung besser. Solange wir aber noch immer Berufe besser bezahlen, die einen Dienst an der Maschine ausüben, wird das mit der Begeisterung nichts. Wovon soll man denn leben, geschweige denn als Mutter oder Vater eine Familie ernähren. Die Pflegeberufe müssen finanziell aufgewertet werden.

Am 21.03.2020 hatte sich ganz Deutschland dazu verabredet, aus den Fenstern heraus für all diejenigen zu klatschen, die in den Krankenhäusern, Arztpraxen und mobil für uns da sind. Das zeigt schon mal eine große Anerkennung. Es ein Anfang. Es darf aber nicht das Ende sein. Am Ende dieses Klatschens muss für die Pflegekräfte mehr Geld auf dem Konto sein.  

Ähnliches gilt übrigens auch für das Personal in den Kinderbetreuungseinrichtungen. Auch wenn die Kindertagesstätten und Schulen zur Zeit geschlossen haben, zeigt sich doch wie unentbehrlich diese für unsere Gesellschaft sind. Haben Sie noch kleine Kinder? Arbeiten Sie im Homeoffice? Dann muss ich Ihnen nichts erzählen. Homeoffice verträgt sich nicht mit Kindern, die beschäftigt werden wollen. Schon gar nicht, wenn die Beschäftigung sinnvoll und nicht in stundenlanges Fernsehen oder Computerspielen ausarten soll.

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